Ist von schnellen Breitbandzugängen auf VDSL-Basis die Rede, taucht seit einigen Jahren vermehrt ein Begriff auf - das sogenannte „Vectoring“ (G.993.5). Im Folgenden wollen wir zeigen, was sich hinter Begriff des Vectoring verbirgt, wer die bis zu 250 MBit schnellen Tarife bietet und wie viel sie kosten. Zudem erfahren Sie alles über sämtliche Vor- und Nachteile, welche die Vectoring-Technik mit sich bringt und was für Konsequenzen der Einsatz für die deutschen Breitbandnetze hat.
So viel vorweg: Schon lange vor dem ersten Praxiseinsatz löste die Vectoring-Technik zwiespältige Reaktionen aus. Auf der einen Seite verspricht das Verfahren mehr Bandbreite bzw. schnelleres Internet für einen breiten Teil der Bevölkerung. Andererseits stieß das Thema heftige regulatorische und netzpolitische Diskussionen an. Doch zunächst werfen wir einen Blick auf die Anbieter und Kosten.
Bereits seit 11 Jahren sind die extra schnellen VDSL-Tarife per Vectoring bei praktisch allen VDSL-Anbietern buchbar. Sowohl O2, Vodafone, Telekom als auch 1&1 bieten seither Varianten mit bis zu 100 MBit Downstream und satten 40 bis 50 MBit Upstream. Im Schnitt kostet der Surfturbo, im Vergleich zu einem DSL-Anschluss mit 16.000 Kbit/s, ca. 10 € mehr im Monat. Für die Sechsfache Leistung im Download und den 40- bis 50-mal schnelleren Datenupload, sicher kein unzumutbarer Aufpreis.
Anfangs war die Netzabdeckung sehr mittelmäßig, konnte aber seit 2018 stark zulegen. Die Deutsche Telekom bezifferte die Anzahl vectoringbasierte Zugänge z.B. Ende 2017 auf rund 8 Millionen Haushalte. Mitte 2024waren es fast schon 36 Millionen. Wer seinen eigenen Wohnort checken will, sollte dies am besten hier auf dieser Telekom-Karte machen, um die valideste Aussage zu erhalten.
Nachdem das erste Vectoring-Verfahren die VDSL-Datenrate bereits von 50 auf 100 MBit verdoppeln konnte, verspricht eine Weiterentwicklung namens "Supervectoring" nochmals höhere Geschwindigkeiten. Konkret sind Übertragungsraten bis maximal 250 MBit/s erzielbar. Verfügbar sind entsprechende Anschlüsse seit August 2018. Ausgebaut wird die Technik von der Telekom aber bereits seit April 2017. Die Entwicklung zeigt, dass prinzipiell noch viel Potenzial in den Kupferkabeln steckt.
Die Vorteile für die Telekom als Netzausrüster- und Betreiber liegt auf der Hand. Man erreicht mehr Kunden bei gleichzeitig steigender Datenrate (bis 250 MBit). Und zwar bei niedrigeren Kosten im Vergleich zum Direktausbau mit Glasfaser (FTTH/B). Aktuell haben rund 86 % der Haushalte Zugang zum VDSL-Netz, doch maximal 25 Prozent zu Glasfaserinternet.
Die Vorzüge für die Kunden: Insgesamt ist mit einer steigenden Verfügbarkeit schneller Breitbandanschlüsse zu rechnen. Aufgrund der schon genannten Positiv-Effekte des Vectorings, steigt unter anderem die maximale Entfernung, mit der Anwohner in einem Gebiet, bei sonst gleichen Bedingungen, VDSL beziehen können. Auf der anderen Seite nimmt die maximale Datenrate, bei gleichen Wegstrecken bis 1000 Metern, deutlich zu. Die folgende Grafik zeigt anschaulich die Unterschiede auf.
Gut ersichtlich dabei die erhebliche Leistungsdifferenz mit und ohne Vectoring auf den ersten 600 Metern. Ab dieser Distanz nähern sich beide Verfahren hingegen weitestgehend wieder an. Mit Vectoring sind zwar akzeptable Datenraten ab 1 Kilometer etwas länger zu erwarten - den Speed-Trumpf spielt die Technik allerdings nur auf kürzere Distanzen von bis zu 550 Metern aus.[1]
Neben der Downloadrate steigt übrigens auch überproportional die maximal erzielbare Uploadrate. Statt „nur“ 10 MBit, wie bei herkömmlichen VDSL oder bei den Kabelprovidern, sind satte 40 MBit möglich. Seit 2024 bietet die Dt. Telekom sogar 50 MBit.
Ein weiterer Pluspunkt ist, dass im Umfeld praktisch kaum oder keine Tiefbauarbeiten nötig sind und die Preisstabilität (theoretisch), dank niedrigerer Kosten, gewährleistet werden kann. Allerdings gab und gibt es auch Nachteile sowie Kritikpunkte, welche nicht unerwähnt bleiben sollten.
Die Breitbandnetzbetreiber, allen voran die Deutsche Telekom und Vodafone, propagieren gerne vollmundig den Weg in die „Gigabitgesellschaft“ - eine Metapher für einen technologischen Ausbaustatus, in dem ein Großteil der Bevölkerung Zugriff auf superschnelle Internetzugänge mit mehreren hundert- oder sogar tausend MBit/s hat. Wie weit wir von dieser Idealvorstellung noch entfernt sind, zeigt ein Blick auf den Hauptanteil der heute noch eingesetzten Infrastrukturen.
Von einem winzigen Prozentsatz der Haushalte abgesehen (< 25 %), welche schon direkt mit Glasfaser angeschlossen sind (also per FTTH oder FTTB), surfen die meisten Nutzer heute noch über Teilnehmeranschlussleitungen (TAL) aus Kupferdoppeladern. Dabei handelt es sich mitunter um bis zu 70 Jahre alte Kupferkabel, die ursprünglich nur für analoge Telefonie konzipiert waren. Über die ADSL-Technologie können Verbraucher auf diesem Weg seit fast 20 Jahren mit bis zu 16 MBit ans Internet angeschlossen werden. Solche Geschwindigkeiten sind allerdings keineswegs mehr ausreichend für die Bedürfnisse von heute und erst recht in der Zukunft. Faktisch stellen derart langsame Zugänge heute mitunter schon digitale Barrieren dar. Etwa zur Nutzung von Internet-TV-Diensten in HD oder gar Ultra-HD.
Eine temporäre Lösung bietet das seit 2006 in Deutschland erhältliche „VDSL“, was bis zu 50 MBit leistet. Allerdings nur auf recht kurze Distanzen (~ 500 m) zum Kabelverzweiger (Kvz). Ein wesentlicher Unterschied zum herkömmlichen „ADSL“ ist hier, dass die Anbindung bis zum KvZ direkt über hochperformante Glasfaserkabel erfolgt. Der Weg von da aus bis zum Endverbraucher, läuft jedoch weiterhin über die besagten Telefonkabel. Aufgrund diverser physikalischer Eigenschaften, limitieren diese die maximale Datenrate mit zunehmender Entfernung erheblich. Die „Vectoring“-Technologie für VDSL setzt an diesem Problempunkt an und kann die Leistungsfähigkeit von VDSL auf 100 MBit oder mehr (siehe Supervectoring) erhöhen.
Telefonkabelbündel mit tausend kleinen TAL-Leitungen
Die Deutsche Telekom erklärt in einem kurzen Videoclip anschaulich die Möglichkeiten und (früheren) Pläne mit der Vectoring-Technik.
Es gibt im Prinzip zwei notwendige Kriterien bzw. Voraussetzungen, damit die Vectoring-Technik bei VDSL zum Einsatz kommen kann. Und zwar für jeden Ort bzw. Ortsteil einzeln!
Punkt 1 ist bei bestehenden VDSL-Infrastrukturen ohnehin gegeben. Punkt 2 hingegen impliziert leider nicht unerhebliche Investitionen, auf die wir noch kommen werden.
Die Kabelnetzbetreiber haben sich in den vergangenen Jahren zu einer ernsten Konkurrenz der Deutschen Telekom entwickelt. Deren Breitbandnetze leisten, dank einem Mix aus Glasfaser und modernen Übertragungsverfahren (DOCSIS 3.x), bereits heute ein Vielfaches im Vergleich zu ADSL und VDSL. In immer mehr Regionen bieten die Kabelunternehmen Tarife mit bis zu 1000 MBit/s.
Prinzipiell wären rein technisch heute sogar schon über 1000 MBit möglich. Seit der Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone, verfügt der Hauptkonkurrent obendrein noch über Deutschlands modernstes und größtes Kabelnetz. Auf Basis der bisherigen Festnetzstrukturen, kann der „rosa“ Konzern mittel- bis langfristig dem kaum Paroli bieten. 100 MBit sind mit VDSL zurzeit mit herkömmlichen VDSL samt Vectoring praktisch die Obergrenze, seit Sommer 2018 sind es dank Supervectoring 250 MBit. Das aber auch nur bei einem vergleichsweise kleinen Kundengreis in der Nähe der Verteilerkästen. Alle anderen müssen mit weit geringeren Speedwerten vertröstet werden.
2011/2012 startete die Telekom daher mit einem weitumfassenden, zunächst bundesweit angelegten Glasfaserausbau für die Netze der Zukunft und prägte einhellig den Termini der „Gigabitgesellschaft“. Durch Direktanschluss der Kundenhaushalte mit Glasfaser (FTTH), können heute schon Tarife mit 1000 MBit realisiert werden. Anfang 2025 lag die Ausbaurate aber leider bei nur runf 25Prozent der Haushalte. Zudem verschlingt diese Ausbauweise Unsummen und ist nur in wenigen Regionen profitabel. Es zeichnet sich daher seit einigen Jahren vorerst ein Paradigmenwechsel hin zum Vectoring ab, da dies für den Konzern mittelfristig wahrscheinlich die finanziell weit attraktivere Lösung darstellt. Denn mit dieser Ausbaustrategie können weitestgehend alte Leitungen (TAL) weiter genutzt werden. Für eine Nettoverdopplung der Datenrate wird lediglich die Aufrüstung der Verteiler nötig.
Es sieht schlussendlich nach folgendem Zukunftsszenario aus: Die Deutsche Telekom wird auch in den kommenden Jahren die Forcierung eines Mixes aus Glasfaser- und LTE/5G-Ausbau pflegen. Die extrem zukunftssichere FTTH-Bauweise wird weiter eine Rolle spielen, aber vorerst dominiert Vectoring (im Prinzip also FTTC). Parallel arbeitet Vodafone an seinem Kabel-Highspeednetzes und die zahlreichen Regionalprovider tragen wesentlich zum Glasfaserausbau bei.
Bisher haben wir ausschließlich die technischen und praktischen Implikationen sowie Vorteile des Vectorings beleuchtet. Ein gewichtiger Nachteil erweist sich jedoch als entscheidender Harken, der Wettbewerbshüter und Mitbewerber gleichermaßen in Aufregung versetzt(e). Den „Vectoring-Turbo“ kann nämlich lokal immer nur immer ein Anbieter am Kabelverzweiger aufschalten. Vodafone und die Telekom könnten also ihre Kunden an einem Kabelverzweiger „XYZ“ somit nicht gleichzeitig bedienen. Sobald Leitungen an diesem von einem Konkurrenten gemietet werden, klappt Vectoring nicht.
Dies löste anfangs verständlicher Weise heftigste Proteste bei den Mitbewerbern aus und rief letztendlich auch Regulierungsbehörden und die EU-Kommission zum Handeln auf. Befürchtet wurde, dass sich die Telekom im Zuge der „Netzoptimierung“ einen unlauteren Wettbewerbsvorteil erheischen und die Konkurrenz außen vorlässt. Selbst das Wort der "Remonopolisierung" viel seitens des BREKO-Verbandes in diesem Zusammenhang. Auch die Bundesnetzagentur sah die Entwicklung von Anfang an kritisch.
Eine vorübergehende Lösung des Problems gab es erstmals im August 2013. Grundlage war ein Entscheidungsvorwurf der Bundesnetzagentur vom April 2013, der im Laufe der Monate von allen Parteien noch verfeinert wurde. Demnach darf die Telekom Vectoring nur in den Regionen nutzen, in denen die Mitbewerber eigene Leitungsnetze haben, also keine Benachteiligungen zu erwarten sind. Oder Sie muss für Alternativen sorgen. Unter "besonderen Bedingungen" darf das Unternehmen jedoch den Mittbewerbern den Zugang zu bestimmten KVz verweigern, um Vectoring einsetzen zu können. Die Beschränkungen beschneiden allerding die Einsatzreichweite, was nicht unbedingt zum Vorteil der Verbraucher sein sollte.
Im Vorfeld der Lösung, zeichneten sich übrigens schon erste Agreements ab. O2 vermeldete Mitte 2013, einen Kooperationsvertrag für VDSL- und Vectoring-Vorleistungsprodukte mit der Telekom geschlossen zu haben. Künftig sollten auf Basis dieser Kooperation dann auch O2-Kunden in den Genuss von bis zu 100 MBit schneller VDSL-Anschlüsse kommen. Vodafone kündigte am 17. Mai 2013 ebenfalls ein ähnliches Agreement an. Man wolle künftig mit der Telekom beim Vectoring zusammen arbeiten - insbesondere in Städten könne so mehr Reichweite generiert und so das hauseigene IPTV-Angebot besser vermarkten werden. Bekannter Weise starteten alle Anbieter im August 2014 parallel den Vertrieb von VDSL mit Vectoring. Kurz zuvor hatte die Bundesnetzagentur eine Liste geöffnet, in welche die Unternehmen jene Kvz´s eintragen konnten, die sie gedenken umzurüsten.
Das letzte Wort wurde aber erst 3 Jahre später gesprochen. Im August 2017 verabschiedete die Bundesnetzagentur letzte regulatorische Auflagen bezüglich offener Fragen zu den TALs. Während dieser 3 Jahre gab es intensive Streitigkeiten zwischen Bundesnetzagentur, Interessenverbände der Telekommunikationsanbieter und der Telekom selbst. Die gesamte Entwicklung von 2013 an, können Sie hier noch einmal nachvollziehen. Dort haben wir die wichtigsten Meldungen und Entwicklungen im Zeitverlauf zusammengefasst.
Die Vectoring-Pläne der Telekom laufen, gemäß dem Geschäftsführers von „Fibre to the home Coucil Europe“ (FtthCE), Hartwig Tauber, komplett in die falsche Richtung. Einer im Januar 2013 veröffentlichten Studie des WIK (Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste) zufolge, steigt der Breitbandbedarf bis 2025 weiter drastisch. Der Prognose nach, wird sich die Datenrate eines „normalen Internetzugangs“ dann im Bereich von 60-300 MBit/s bewegen. Ein Einsteigeranschluss hat dann um die 60 MBit. Das trifft sich ziemlich gut, was bereits im Jahr 2024 der Status quo abbildet. Zugänge unter 50 MBit gelten heute bestenfalls noch als Einstiegstarife für Gelegenheitsnutzer.
Bis 2030 wird der Bedarf weiter steigen. Nur mit Techniken wie Vectoring und einem beschleunigten Glasfaserausbau lässt sich dieser Entwicklung begegnen. Langfristig führt aber der einzig wahre Weg über FTTH - also der Anschluss von Endkunden direkt via Glasfaser. Nur so kann in Zukunft der immens hohe Breitbandhunger, bei stetig hoher Servicequalität, noch garantiert werden. Aus diesem Blickwinkel entpuppt sich also auch Vectoring nur als eine temporäre „Flicklösung“. VDSL ist im Prinzip ja auch nur ein Behelfsmodell auf diesem Weg.
Im Dezember 2014 startete die Telekom ein völlig neues Breitbandkonzept, bei dem Haushalte mit einer Kombination aus Festnetz und Mobilfunk (Hybrid) angeschlossen werden können. Dabei wird die Grundlast über einen herkömmlichen DSL- oder VDSL-Zugang bewerkstelligt. Über LTE/4G kann bei Bedarf mehr Leistung zugeschaltet werden. Dies übernimmt automatisch ein spezieller Hybrid-Router. Mit der „innovativen“ Hybrid-Box-Technologie kann der Datenverkehr auch also erstmals zweigleisig, daher „Hybrid“, erfolgen. Die Tarife heißen "Magenta Zuhause mit Hybrid" und sind ab rund 38 € erhältlich. Wahlweise per DSL, VDSL oder VDSL-Vectoring, je nach Verfügbarkeit beim Kunden. Seit 2022 wird Hybrid sogar mit dem nochmals verbessern 5G betrieben...