Nicht nur das alte Telefon-Festnetz (DSL & VDSL) oder Glasfaser kann zur Datenübertragung eingesetzt werden. Auch die TV-Kabelnetze bilden eine ideale Basis für leistungsstarke Internetzugänge. Der größte Vorteil: Viele Haushalte sind ohnehin über dieses Netz angeschlossen und bieten genug Leistungspotenzial. Mit den Jahren haben sich die Kabelnetze so zu einer echten Alternative gegenüber VDSL und sogar Glasfaser-Zugängen (FTTH/B) entwickelt. Wir zeigen, was moderne Kabel-Standards alles leisten und welche Techniken dafür eingesetzt werden.
Ursprünglich waren die Kabelnetze reine Fernseh-Übertragungskanäle. Rasch erkannte man aber, dass sich so auch leistungsstarke Internetzugänge als Alternative zum Festnetz verkaufen lassen. Anfangs trifteten die Zugänge eher ein Nischendasein, da es zunächst gegenüber DSL kaum Vorteile gab. Das änderte sich jedoch schnell! Heute bieten die Kabelanbieter deutlich günstigere Tarife als wie über DSL oder VDSL. Vor allem aber deutlich schneller! Während im Festnetz mit VDSL+Supervectoring schon bei 250 MBit Schluss ist, können Kabelnetze zurzeit bis zu 1000 MBit/s liefern (~ 1 GBit/s). Bald sogar noch weit mehr. Das gibt’s sonst nur mit echten FTTH-Zugängen.
Denn auch die Kabelprovider erhöhen ebenfalls den Glasfaseranteil stetig. Längst kommen beim Ausbau nicht mehr nur Koaxialkabel zum Einsatz, sondern vermehrt Glasfaserkabel. Man spricht hier auch von einem Glasfaser-Koaxial-Hybridnetz (HFC). Neben dem Glasfaseranteil, spielt aber vor allem auch der verwendete Datenübertragungsstandard (kurz DOCSIS) eine entscheidende Rolle.
Die Abkürzung „DOCSIS“ steht für „Data Over Cable Service Interface Specification“. Also eine Art Spezifizierungsstandard dafür, wie die Datenübertragung übers Kabelnetz funktioniert. DOCSIS legt alle Anforderungen für die bidirektionale (also Hin- und Rückkanal) Übertragung in Kabelnetzen fest. Bildlich vergleichbar mit anderen Übertragungsstandards: Was LTE und 5G für den Mobilfunk oder „VDSL“ im Festnetz ist, stellt DOCSIS für den Kabelanschluss dar.
Spezifiziert und entwickelt wird das Ganze von der Cable Television Laboratories Inc. (Cable Labs) – einer Vereinigung internationaler Kabelnetzanbieter. Auch hier kann man Analogien zu 3GPP (Mobilfunk) ziehen. Die Entwicklung neuer, verbesserter Verfahren hält dann in aktualisierten, offiziellen DOCSIS-Versionen Einzug. Meist mit dem Ziel, über ein und dasselbe Netz noch höhere Datenraten, geringere Latenzen und stabilere Verbindung liefern zu können. Aktuell dominiert noch der DOCSIS 3.0 Standard. Dieser wird aber zunehmend durch den Nachfolger 3.1 abgelöst. Auch in Deutschland. Die Aussicht: Es wird schnell, sehr schnell!
Bereits mit der Version 3.0 waren, technisch gesehen, bis zu 1000 MBit brutto möglich (teils sogar etwas mehr). In der Praxis lieferten die Zugänge aber maximal 500 MBit/s netto. Mit DOCSIS 3.1 steigt die Performance erheblich auf bis zu 10 GBit/s im Download und 1 GBit beim Upstream. Vor allem wurde das Frequenzspektrum deutlich auf bis zu 1,8 GHz verbreitert (vorher 108-1002 MHz). Beim Upstream wird auf 5-204 MHz gesendet. Zusammen mit QAM4096 statt QAM256, ergibt sich der signifikante Geschwindigkeitsvorteil von fast Faktor 10.
Vodafone, Deutschlands größter Kabelanbieter, rüstet seit Jahren schon immer mehr Netzabschnitte und Haushalte mit DOCSIS 3.1 auf. Dort können Kunden aktuell bis zu 1000 MBit buchen, bei maximal 50 MBit Uploadrate. Bald schon soll die Datenrate nochmals stark angehoben werden. In der Praxis werden allerdings über DOCSIS 3.1 keine 10 GBit möglich sein. Vodafone geht von 2 GBit, vielleicht auch 5 GBit/s aus. Auch der Upload könnte mit Umstellung auf 3.1 verdoppelt werden (100 MBit).
Bald schon plant Vodafone alle Haushalte im Einzugsgebiet (ca. 25 Mio.) auf 3.1 umgerüstet zu haben. Mitte 2024 waren es in 16 Bundesländern gut 24 Millionen gigabitfähige Kabelanschlüsse. Die Spezifikation wurde übrigens bereits 2013 veröffentlicht, so dass es hierzulande über 10 Jahre bis zum vollständigen Ausrollen dauert(e).
Dank DOCSIS 3.1 können also über die Hälfte aller Verbraucherhaushalte perspektivisch ins Gigabitzeitalter aufschließen, auch wenn vor Ort kein FTTH (Glasfaser) ausgebaut wurde. Dieses gibt es nämlich erst für jeden 10. Haushalt.
Kabel-Netzausbau bei VF | Bild: Vodafone
Doch obwohl Version 3.1 bis 5 GBit liefern kann – damit soll die Entwicklung noch lange nicht ausgereizt sein! Der Nachfolger DOCSIS 4.0 steht schon in den Startlöschern. Anfang 2020 wurden die Spezifikationen verabschiedet. Diese sehen abermals bis zu 10 GBit/s im Downstream vor. Diesmal könnte die Performance aber auch in der Praxis realisierbar sein und nicht nur auf dem Papier. Vor allem aber soll mit 4.0 die Uploadrate auf satte 6 GBit/s in der Spitze anwachsen. Der Performance-Boost kommt unter anderem von der Ausweitung des nutzbaren Frequenzspektrums, kurz Extended Spectrum DOCSIS (ESD).
Auch bei der Latenz (Ping) werden nochmals Verbesserungen erwartet und Glasfaserniveau (um die 1 ms) erreichen. Die Technik hierzu nennt sich Low Latency Docsis (LLD).
Den Upstream-Boost soll dabei eine neue Full-Duplex-Technik ermöglichen. So könnte endlich die starke Asymmetrie zwischen Up- und Downloadrate minimiert werden. Hier konkurrieren zwei Verfahren – das „Full Duplex Docsis“ (FDX), wo simultan Down- und Upstream übertragen werden. Oder aber das bisher genutzte FDD (Frequency Division Duplex), wo für beide Richtungen unterschiedliche Frequenzbereiche eingesetzt werden.
Die folgende Tabelle fasst noch einmal kurz die wichtigsten Eckdaten der einzelnen DOCSIS Standards zusammen[3].
Version | DOCSIS 4.0 | DOCSIS 3.1 | DOCSIS 3.0 | DOCSIS 2.0 | DOCSIS 1.0 |
---|---|---|---|---|---|
Datenrate Down bis (brutto | netto) | 10 GBit | ca. 6-10 GBit | 10 GBit | 2-5 GBit | 1 GBit | 500 MBit | 40 MBit | 20-30 MBit | 40 MBit | ca. 8-10 MBit |
Upload bis (brutto | netto) | 6 GBit | ca. 1-4 GBit | 1-2 GBit | 0,1-1 GBit | 200 MBit | 50 MBit | 30 MBit | ca. 5-10 MBit | 10 MBit | ca. 1-2 MBit |
Spektrum | bis 1,8 GHz | bis 1,8 GHz | 108-1002 MHz | 88-862 MHz | 50-862 MHz |
Kanalbandbreite (Down) | ? | 24-192 MHz | bis 8 MHz | bis 8 MHz | bis 8 MHz |
QAM (Down) | bis QAM4096 | bis QAM256 | 64 oder 256 QAM | 64 oder 256 QAM | 64 oder 256 QAM |
Vorteile | symmetrischer Upstream; besserer Ping |
mehr Effizienz; schneller |
erstmals IPv6; Bonding |
mehr Speed | - |
Release | Vertriebsstart in DE | 2019 | ca. 2030 | 2013 | 2018 | 2006 | 2008 | 2002 | ca. 2003 | 1996 | ca. 1998 |
So genau steht das noch nicht fest. Vodafone hatte bereits erste Feldtests durchgeführt. Noch fehlen zudem Chips und Router, sowie andere Netzkomponenten. Auch müssten in etlichen Haushalten noch die Multimediadosen fit für 1,8 GHz gemacht werden. Laut Vodafone ist aber mit einer Einführung erster Tarife erst ab 2030 zu rechnen. Zumal ja im dem gerade erst (fast) erschlossenen DOCSIS 3.1 noch genug Reserven schlummern[4].
Um die Fortschritte in der Kabel-Internettechnik besser zu würdigen, werfen wir nochmal kurz einen Blick zurück auf die Anfänge. DOCSIS 1.0 wurde 1997 verabschiedet und markierte den Startpunkt in der Entwicklung. Bereits der erste Standard erlaubte bis zu 40 MBit/s (brutto), auch wenn die ersten Tarife noch weit langsamer waren. Netto waren wohl um die 8 MBit möglich. Wohlgemerkt in einer Zeit, wo die meisten noch mit DFÜ-Modems unterwegs waren, welche kaum 0,06 MBit erlaubten. Selbst DSL war 1998 mit nur 1 MBit schon ein echtes Highlight. Vergleichbar heute mit einem Sprung über Nacht von 1 auf 30 GBit/s.
DOCSIS 2.0 brachte 2002 dann mehr Stabilität und höhere Uploadrate. Während der Download bei 40-50 MBit blieb, stieg der Uploadspeed auf maximal 30 MBit/s.[2]
Quellen:
[1] Cable Labs Release PDF
[2] Infografik Vodafone (oben) + Cable Labs zu DOCSIS 4.0
+
Broadband Sucess Parnters DOCSIS 4.0 Whitepaper (PDF)
[3] Rohde & Schwarz & Wiki
[4] Vodafone